Rechtliche Aspekte

Im Notfall gilt es, rasch und richtig zu reagieren.

Dann bleibt keine Zeit, sich über rechtliche Aspekte bei der Ausübung von Erster Hilfe Gedanken zu machen. Daher ist es wichtig, sich vorgängig zu informieren.

  • Wann bin ich dazu verpflichtet, Erste Hilfe zu leisten?
  • Kann ich dafür belangt werden, wenn ich bei einer Erste-Hilfe-Leistung etwas falsch machen sollte?

Zur Haftung des Laienretters

Wer einem verletzten Menschen in unmittelbarer Lebensgefahr nicht hilft, muss mit Gefängnis oder Busse rechnen. Und Gaffer, die den Rettern im Wege stehen, machen sich ebenfalls strafbar. So will es das Schweizerische Strafgesetzbuch.

Angst vor Strafe ist unbegründet

Jährlich sterben in der Schweiz gegen 4’000 Menschen infolge von Unfällen; rund 24’000 werden schwer verletzt. In vielen Fällen könnte der Tod durch sachgemässe Betreuung auf dem Unfallplatz durch Laien vermieden werden. Unfallhilfe durch Laien setzt indes nicht nur ein Mindestmass an Sachkenntnis voraus, sondern auch eine Bereitschaft zum Eingreifen in eine fremde Körpersphäre. Diese psychologische Bereitschaft zur Hilfeleistung wird gerade in letzter Zeit durch Vermutungen und Befürchtungen gehindert, es könnten dem Laienhelfer aus seinem hilfsbereiten Eingreifen irgendwelche rechtlichen Nachteile erwachsen, allen voran eine Schadenersatzpflicht bei Misslingen des Rettungsversuches. Solche Bedenken dürfen nicht zu Zurückhaltung bei der Ersten Hilfe führen. Angst vor Strafe darf nicht bremsen, sie ist nicht begründet.

Strafrechtliche Sicht

Eine extreme Annahme: Ein Erst Helfer kommt zu einem Unfall. Verletzte liegen auf der Strasse. Der Erst Helfer ist aufgeregt, erlebt das erste Mal eine solche Situation live, die er bisher nur geübt hat. Aufregung und Angst kommen auf, in einem Mass, das er nicht erwartet hat. Dennoch arbeitet er nach Ampel-Schema, Alarm und BLS-AED-Schema. Doch die Bergung eines Verletzten, der neben dem Auto lag, aus dessen Motor Benzin ausfloss, bereitet ihm Schwierigkeiten. Im nachhinein zeigt es sich, dass der Patient eine unheilbare Lähmung erlitten hat. Ein anderer Verletzter stirbt auf der Unfallstelle. Der Erst Helfer fürchtet sich vor dem Richter. Zu unrecht.

Damit es nach einem solchen Unfall zu einer Verurteilung eines Helfers kommen kann, müssen mehrere Bedingungen erfüllt sein:

  • Erstens muss bewiesen werden, dass das, was der Helfer getan hat, Ursache der Gesundheitsschädigung oder des Todes des betroffenen Unfallopfers war – schon das wird in den meisten Fällen nicht möglich sein: Ist jemand gelähmt, weil er fehlerhaft geborgen wurde oder weil er im Auto nicht angegurtet war und aus dem Auto hinaus geschleudert worden war? Wäre die schlimme Folge nicht eingetreten, wenn der Rettungsversuch unterblieben wäre? Dies zu rekonstruieren, ist meist gar nicht möglich.
  • Zweitens: Wenn ein Ersthelfer – ein Laienhelfer – mangels Erfahrung oder wegen einer verständlichen Aufregung und Nervosität einen Fehler macht und der Patient stirbt oder zeitlebens invalid ist, muss man ihm dies auf Grund seiner individuellen Fähigkeiten und der zu bewältigenden Situation zum Vorwurf machen können – man muss ihm Fahrlässigkeit nachweisen – was kaum möglich ist, solange er nicht geradezu unsinnig handelt.

Die einzige rechtliche Pflicht, die man einem Erst Helfer auferlegen kann, besteht darin, dass er so rasch wie möglich alarmiert oder für die Alarmierung sorgt. Diese Pflicht gilt aber für alle Menschen, die an einen Unfall kommen, nicht nur für Erst Helfer oder Leute, die den Nothilfeausweis besitzen.

Ein Rechtsgutachten im Auftrag des Interverbandes für Rettungswesen weist darauf hin, dass derjenige strengeren Anforderungen untersteht, der eine besondere Ausbildung genossen hat. Das betrifft Rettungssanitäter und Notärzte. Sie könnten bei bewiesenem Fehlverhalten bestraft werden.

Rechtlich gesehen, vom Strafrecht her ist von elementarer Bedeutung: Niemand darf wegschauen. Jedermann ist verpflichtet, sich zu vergewissern, dass alarmiert wurde.

Ausgebildete Erst Helfer haben eine bessere Chance, daran zu denken, dass diese elementare Pflicht besteht – wer  über keine Nothilfeausbildung verfügt, trägt deshalb ein grösseres Risiko.

Eine Faustregel: Weniger ist oft mehr:

  • Alarmieren
  • Überlebenshilfe leisten
  • nur Massnahmen durchführen, die man sicher beherrscht

Schlussfolgerung:

Retten und Helfen nach bestem Wissen führt für Laien in keinem Fall zu einem Problem mit dem Gericht.

Beim Alarmieren hingegen gibt es kein Wenn und Aber (im Zentrum steht immer die genaue Positionsangabe):

144 für die Rettungssanität
1414 für die Rega
117 für die Polizei
118 für die Feuerwehr

Rechtliche Überlegungen zur Frühdefibrillation

Frühdefibrillation ist der Einsatz eines Gerätes, welches das Herzflimmern unterbricht und das Herz zur normalen Arbeit als Pumpe des Blutkreislaufes zurückführt.

Dies ist computergesteuert und vermittelt automatisch den im konkreten Fall richtigen elektrischen Impuls auf den Körper. Eine Computerstimme gibt dem Helfer die notwendigen Anweisungen.

Sämtliche internationalen medizinischen Fachgremien sind sich einig, dass auch Laien die Frühdefibrillation lernen und anwenden können. Dies ist in diversen wissenschaftlichen Publikationen festgehalten.

Die Anwendung der Frühdefibrillation ist rechtlich unter drei Aspekten zu beurteilen:

  • Strafrecht: Kann eine fahrlässige Körperverletzung oder Tötung erfolgen?
  • Zivilrecht: Kann es Haftungsfälle infolge falscher Frühdefibrillation geben?
  • Gibt es gesundheitspolizeiliche Einschränkungen?

Strafrechtliche Beurteilung

Wenn ein zufälliger Helfer eine Schulung absolviert und Zugriff auf ein Gerät hat, das dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entspricht, ist er dazu verpflichtet, diesen Defibrillator effektiv einzusetzen, wenn er erkennt, dass akute Lebensgefahr besteht.

Kommt er dieser Pflicht nach, besteht das Risiko, dass er wegen der Aufregung des Ernstfalls den Kopf verliert und dass der Versuch der Hilfeleistung misslingt. Daraus kann keine fahrlässige Tötung oder Körperverletzung oder Verantwortlichkeit wegen unterlassene Nothilfe abgeleitet werden – im übrigen würden sich Kausalzusammenhänge zwischen fehlerhaftem Handeln und gesundheitlichen Schäden beim Betroffenen oder Tod des Patienten nicht beweisen lassen, da bekanntlich nur ein Teil der Opfer eines plötzlichen Atemstillstands gerettet werden kann.

Aus Art. 128 StGB kann keine Verantwortung abgeleitet werden für den medizinischen Erfolg versuchter Hilfe. Die Bestimmung bestraft nur die Passivität.

Bei Postendiensten – also einem vertraglich mit einem Organisator vereinbarten Sanitätsdienst – ergibt sich für die strafrechtliche Beurteilung keine andere Beurteilung, solange das eingesetzte Personal nach bestem Wissen und Können arbeitet. Das Unterlassen der Nothilfe dürfte in diesem falle aber strenger bestraft werden als gegenüber einem zufälligen Helfer.

Zivilrechtliche Beurteilung

Der Umstand, dass auch bei perfekter Hilfe nur ein Teil der Opfer eines plötzlichen Atemstillstands gerettet werden kann, entzieht gegenüber zufälligen Helfern auch zivilrechtlichen Haftungsansprüchen wegen falscher resp. erfolgloser Frühdefibrillation den Boden.

Eine Haftung kann für einen Samariterverein entstehen, wenn er dem Organisator einer Veranstaltung zusichert, auf dem Sanitätsposten Frühdefibrillation anzubieten, dann nämlich, wenn. kein (funktionsfähiges) Gerät vorhanden ist oder wenn das vorhandene Gerät nicht eingesetzt wird, obwohl erkennbar ein Fall plötzlichen Atemstillstands vorliegt. Wenn der Organisator seinerseits den Besuchern der Veranstaltung die Präsenz eines guten Sanitätsdienstes zugesichert hat und dies im Ernstfall nicht gewährleisten kann, steht er vor zwei Problemen:

Einerseits kann er selbst als Organisator geschädigt sein, weil seine Reputation leidet oder weil er behördlich belangt wird wegen Missachtung von sanitätsdienstlichen Auflagen – und dieser Fall muss von den Organisatoren eines Sanitätsdienstes durchaus ernst genommen werden. Anderseits kann der Organisator konfrontiert werden mit Schadenersatzforderungen des Opfers resp. der Angehörigen des Opfers. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass ein Kläger grosse Mühe hätte zu beweisen, dass die bleibende gesundheitliche Schädigung resp. der Tod des Opfers im Falle rechtzeitiger und korrekter Frühdefibrillation unterblieben oder weniger schlimm ausgefallen wäre. Dieselben Probleme ergäben sich bei der Bemessung des Schadens. Für den Kläger bestünden Unwägbarkeiten, die sein Prozessrisiko schier unberechenbar machen würden. Dieser theoretisch denkbare Fall wird praktisch kaum je eintreten.

Eine Verantwortlichkeit aus pflichtgemäss versuchter, aber erfolgloser Frühdefibrillation gibt es aber auch beim Postendienst nicht.

Insgesamt ergibt sich, dass sorgfältiges und verantwortungsbewusstes Handeln rechtliche Risiken ausschliesst.

Gesundheitspolizeiliche Einschränkungen

Bezüglich des Einsatzes von Frühdefibrillatoren sind keine kantonalen gesundheitspolizeilichen Einschränkungen bekannt.